Flaggen auf Halbmast
Nicht nur die Würde unserer Städte
Damit wir Witten wieder zum Funktionieren bringen, brauchen wir mehr Geld! Der Zustand der Straßen, die Attraktivität der Innenstadt – alles das trotz extrem hoher Steuern! – geht nicht mehr so weiter.
Da hätte es die kommenden Kosten durch Corona, die einknickenden Geschäfte, Cafés und Unternehmen nicht gebraucht: 350 Millionen Altschulden für Witten sind schon heute der feuchtkalte Schuldenturm, in dem wir leben.
An Tilgung ist nicht zu denken, wird auch gar nicht gedacht: Hauptsache, wir können die Zinsen noch zahlen! Und auch das wird nicht ewig gut gehen.
Ich verstehe nicht, wie jemand zufrieden sein kann mit den geplanten Mehrleistungen von Bund und Land: Schließlich zahlen die schon die bisherigen Leistungen seit Jahren nicht richtig aus, das hilft uns dann in Zukunft auch nicht weiter.
Schulden bleiben, hohe Steuern bleiben – und wir können den ehrlichen „Sackträger“ gleich vor’s Finanzamt schieben…
Dem Bündnis der Bürgermeister der ebenfalls verschuldeten Nachbarstädte geht es nicht nur um die „Würde der Städte“, wie die Kampagne heißt, sondern um unsere Selbstständigkeit, um unsere eigenen Gestaltungsmöglichkeiten – um die Eigenheit der Stadt.
Dagegen hat die Union im Bundestag entschieden. Zumindest hat sie den Bund als „nicht zuständig“ erklärt. Jetzt können wir noch hoffnungsvoll auf unseren Landesherren schauen – der seinerseits aber nach Berlin schaut – unwahrscheinlich, dass ihm die armen Städte des Ruhrgebietes näher liegen als die reiche Zukunft des „Großen Ganzen“.
Es sieht so aus, als wären wir tatsächlich selber zuständig für diese Würde unserer Städte.
Und wie anders könnte Eigenständigkeit auch entstehen: als wenn wir selber aufstehen?
Wäre ich Bürgermeister, so hätte ich letzten Freitag die Flaggen auf Halbmast gehängt und um 12:05 die Sirenen der Stadt singen lassen.
Bis alle aufstehen. Wohin?
Düsseldorf? Berlin? Beides.
Und Brüssel, wenn nötig. Auf geht’s.
Martin Strautz, bürgerforum
Wissenschaftlichkeit
Gerade in Krisenzeiten wie dieser wächst das Bedürfnis, dass der Grund für alle Einschränkungen und Katastrophen doch bitte eine möglichst einfache Ursache haben möge. Es muss einen Bösewicht geben, dem man schnell all das in die Schuhe schieben kann. Bei den Nazis war es das Weltjudentum und die Sozis, bei der AfD der Islam oder die Ausländer und Merkel, heute sind es wahlweise China (Trump) oder Bill Gates oder Blackrock. Immer soll es das Böse sein, das die Politiker und Experten aus dem Hintergrund wie Marionetten an Strippen führt.
Das bürgerforum wendet sich entschieden gegen solche vereinfachenden Verschwörungstheorien und mahnt Wissenschaftlichkeit an. Wir sind überzeugt, dass moderne Wissenschaft und humanistische Weltanschauung zusammengehören.
100 Tsd. Tote in den USA und ebenso viele in Europa sind nicht das Werk des einen Bösen. Es ist die Folge einer schlecht organisierten und finanzierten Gesundheitspolitik. Umgekehrt zeigt es sich, dass da, wo Krankenhäuser, Technik und Personal ordentlich ausgestattet sind und auf Mindeststandards zurückgreifen konnten und da, wo frühzeitig Regeln aufgestellt und befolgt wurden, diese Pandemie durchaus beherrschbar erscheint, was sich auch in Witten zeigt.
Wir stimmen mit der demokratischen Opposition -im Bundestag den Grünen und Linken- darin überein, die Regierung und einzelne Ministerpräsidenten der Länder zwar in Einzelfragen zu kritisieren, aber den Maßnahmen insgesamt zuzustimmen.
Die wissenschaftliche Begründung von Politik finden wir in dieser Krise hilfreich, auch wenn sie immer offen und teilweise kontrovers geführt wird, das gehört dazu.
Aber dies ist auch in anderen Krisen angeraten: wenn doch Politik sich in der Klimafrage auch durchgängig von Wissenschaft beraten ließe!
Auch diese Krise ist absolut systemrelevant.
Das bürgerforum witten steht für eine weltanschaulich offene, am Humanismus und seinen Idealen orientierte Grundhaltung, die die Wissenschaft integriert und jeder Verschwörungstheorie und Sündenbock-These widerspricht. Diese sind nicht nur falsch, sondern wirken spalterisch und können richtig gefährlich sein.
Harald Kahl 1. Vorsitzender
Martin Strautz Bürgermeisterkandidat
Dr. Kurt-Martin Schmelzer Fraktionsvorsitzender
KippenGedenken
Da Weltumwelttag war am Freitag, den 05.06., haben Studierende der UW/H zum Müllsammeln aufgerufen:
Von zu Hause zum Rathausmarkt, dann machen wir Kunst aus dem Zeug! Patrick von bochumbolzt macht dauernd so Aktionen – und ich? Hatte für den Tag eigentlich eine Kunstausstellung zur Schöpfung, eine Fridays-Demo, zwei Autofreier Tag Demos und anderthalb Stadtteilfeste auf dem Zettel – also nix, wegen Corona.
Als Künstler und Bürgermeisterkandidat dachte ich, es wäre eine witzige Aktion, im schicken Anzug Müll zu sammeln. Draußen war es zwar frisch, aber nach nur 20 Metern lief mir die Suppe schon übers Gesicht, weder Künstler noch Bürgermeister punkten durch Schwitzen, also: Kleidungskorrektur.
Die Oststraße rauf und runter, ne knappe Stunde im Entengang, gesammelt habe ich ein bisschen Dies und Das und ohne Ende: Kippen. Fliegt der Rest einfach weg? Und nur die Kippen bleiben? Oder kriegt der emsige Straßenreinigungsmobilfahrer die Kippen nicht hochgefegt? Reichlich Zeit zu überlegen, schon um mich von den schmerzenden Knien und Oberschenkeln abzulenken!
Egal warum: Die Kippen bleiben. Und enthalten Gifte, die in die Abwässer geraten und in der Kläranlage nicht rausgefiltert werden können. Oder doch? Jedenfalls irgendwie problematisch – und jetzt ist nicht die Zeit zum Googeln.
Treffen um 12 auf dem Rathausmarkt: Andere waren erfolgreicher als ich, haben Stühle, große Plastikteile und tütenweise Müll gesammelt. Aber alle auch kistenweise Kippen.
Wenigstens daraus machen wir ein großes Herz für Witten.
Eine Lunge hätte ich passender gefunden, oder: Grundwasser, Kläranlage – und Leute, die skeptisch in ihr Wasserglas gucken. Kippen hätten wir genug dafür gehabt! Nur Wind und Regen eilten meinen gequälten Oberschenkeln zu Hilfe, also blieb es bei dem Herz.
Nicht aber bei dieser einen Aktion: Studierende plant das jetzt monatlich. Finde ich richtig.
Und denke meinerseits über andere Maßnahmen nach: Kippenpfand?
Oder Ordnungsstrafen für Kippen schnippen?
Die Stadtkasse kanns brauchen.
Ach ja, bei dem Thema: Was ich nicht gefunden habe, war Geld – keinen einzigen Cent!
Ich vermute, dass sich viele dafür bereits bücken.
Martin Strautz, bürgerforum